Otto Herrmann, Seniorchef der Konditorei Herrmann

Als die Konditorei auf der Bahnhofsbrücke (heute Frohnauer Brücke) zwei Jahre nach dem Krieg wiedereröffnet wurde, war sie sofort eine Attraktion. Zwar brauchte man damals für den Einkauf noch Lebensmittelmarken, doch auch wenn Marken und Geld knapp waren, lockte uns das Geschäft an. Und das nicht nur zum Betrachten der Schaufenster, sondern auch zum Schnuppern. Schon allein die wunderbaren Gerüche, die aus der geöffneten Eingangstür und aus den Gittern des Untergeschosses drangen, waren Grund genug für uns Kinder, vor der Konditorei eine Weile stehen zu bleiben. Im Winter kam noch hinzu, dass man nicht nur Wohlgerüche sondern auch die mit ihnen verbundene warme Luft genießen konnte.

Nachdem die Luftbrücke im September 1949 vorüber war und bald danach die Lebensmittel nicht mehr rationiert waren, brauchten wir uns nicht mehr mit dem Anblick und dem Geruch der Köstlichkeiten der Konditorei zufrieden zu geben. Jetzt lernten wir den Laden auch von innen kennen, und was vorher praktisch unerreichbar war, konnten wir nun getrost nach Hause tragen. Das waren zwar selten Torten und Kuchen, denn die backte die sparsame Hausfrau eher zu Hause, aber doch das Brot und vor allem die knusprigen Brötchen. In den fünfziger Jahren zahlte man für ein Brötchen drei Pfennig und für den mit Milch gebackenen Knüppel vier Pfennig.

Die Zerstörung seines Geschäftes nach dem Einmarsch der Sowjetarmee und den Wiederaufbau hatte Otto Herrmann nicht mehr erlebt. Er war schon vor dem Zweiten Weltkrieg aus dem Leben geschieden. Sein arbeitsreiches Leben endete abrupt am 4. Juni 1938 durch Herzversagen.

Otto Herrmann hatte zunächst eine Bäckerei in der Tempelhofer Germaniastraße. Im Jahre 1918, in den wirren Zeiten des zu Ende gehenden Ersten Weltkriegs, verlegte er sein Geschäft nach Frohnau. Er kaufte das Haus von Friedrich Franz, der 1911 an der Ecke Am Kaiserpark und Trabener Straße (heute Edelhofdamm und Dinkelsbühler Steig) eine „Bäckerei und Conditorei mit Café“ eröffnet hatte. Die „Hermsdorf-Waidmannsluster und Frohnauer Zeitung“ schrieb dazu am 2. März 1911: „In den herrlichen Frohnauer Anlagen macht das stilvoll erbaute Villenhäuschen mit dem freundlich einladenden Verkaufs- und Caféraum einen recht netten Eindruck.“

Dieses „stilvoll erbaute Villenhäuschen“ also erwarb Otto Herrmann, um in Frohnau Fuß zu fassen. Er blieb dort allerdings nicht sehr lange, denn es war ein wenig abseits vom Zentrum. Schon vier Jahre später zog er um in das „Café Frohnau“ im Geschäftshaus am Bahnhofsplatz (heute Ludolfingerplatz), das vorher Richard Voley betrieben hatte. Dieses Café hatte unter anderem dadurch auf sich aufmerksam gemacht, dass es in seinen Annoncen regelmäßig auf einen Damensalon hinwies, der den weiblichen Gästen zur Verfügung stehe.

Doch auch hier blieb Otto Herrmann nur zehn Jahre. Am 13. Februar 1932 eröffnete er seine Konditorei im nördlichen der beiden „Torbauten“, mit denen die Architekten Walter und Johannes Krüger die Bebauung des Cecilienplatzes (Zeltinger Platzes) begonnen hatten. Das Geschäft lag in dem Teil des Gebäudes, das von der Frohnauer Brücke aus zugänglich ist. Die Zeiten waren wieder einmal schlecht, sowohl wirtschaftlich als auch politisch. Trotzdem gelang es dem Ehepaar Herrmann, seinen Betrieb zu erweitern. Eine Veranda wurde gebaut und ein Cafégarten angelegt.

Nach dem Tode ihres Mannes führte Hedwig Herrmann die Konditorei notgedrungen allein weiter, denn ihre acht Kinder waren zum Teil noch unmündig. Doch schon im Jahre 1940 konnte sie die Geschäftsleitung ihrem ältesten Sohn Kurt übergeben. Am 12. Juni 1959, dem Vortag zu ihrem 75. Geburtstag, schrieb der „Nord-Berliner“: „Den Erfolg ihrer Lebensarbeit sieht die Jubilarin in ihren tüchtigen Kindern, die alle bekannte und gut geführte Betriebe besitzen.“ Und weiter liest man in der Wochenschrift: „Obwohl 1945 die Konditorei durch Kriegseinwirkung zerstört wurde, erlebte das angesehene Geschäftshaus nach seinem Wiederaufbau eine neue Blütezeit, die es dank vorbildlicher Leitung zu einem der führenden Häuser dieser Branche in Berlin machte.“

Was die vom „Nord-Berliner“ erwähnten gut geführten Betriebe betrifft, so erinnern sich die Frohnauer noch gern an das Kaffeegeschäft im Frohnauer S-Bahnhof, wo es ähnlich angenehm duftete wie in der Konditorei gegenüber. Die Kaffee-Rösterei führte Helmut Herrmann. In seinem Geschäft bekam man die verschiedensten Kaffeesorten – als Bohnen oder frisch gemahlen. Einige Zeit nach der Eröffnung des Geschäftes erhielt das Bahnhofsgebäude ein geschwungenes Vordach, das noch heute, wo in den Geschäftsräumen Obst und Gemüse verkauft werden, dem Bahnhof ein besonderes Aussehen verleiht.

Doch es gab noch mehr von der Familie Herrmann geführte Geschäfte in Frohnau und Umgebung. Da waren am Ludolfingerplatz das Schreibwarengeschäft von Rolf Herrmann und gleich neben der Konditorei das Eisenwarengeschäft von Margot Zietlow, geb. Herrmann. Horst Herrmann verkaufte Spielwaren und besaß mehrere Drogerien. Und schließlich gab es das Café am Bahnhof Hermsdorf und das in der Berliner Straße in Tegel, beide geführt von Hubert Herrmann.

Auch heute noch kann man bei Herrmanns in Frohnau einkaufen. Zwar keinen Kaffee und keinen Kuchen, auch keine Schreibwaren oder Eisenwaren. Aber am Zeltinger Platz gibt es das Geschäft „Mode für Damen und Herren“, geführt von Thomas Herrmann, dem Sohn von Helmut Herrmann. Otto Herrmann war somit sein Großvater. So ist die Familie Herrmann auch noch in der dritten Generation in Frohnau vertreten.